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Weil ich dem Leben gegenüber dankbar bin

Abschiede gehören zu unserem Leben
Wie ihr erfahren habt, mussten wir im 2022 von zwei unserer geliebten Hundedamen Abschied nehmen, Devi im Juli und Leela im Dezember. Zu sagen, dass sie eine Lücke hinterlassen, wäre nicht stimmig. Eine Lücke impliziert Unvollständigkeit. Sie hinterlassen vielmehr wunderbare Erinnerungen, eine tiefe Verbundenheit und Liebe.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, meine Erfahrung zu teilen
Ich habe mir länger überlegt, ob ich meine Erfahrung aus dem Jahr 2017 mit euch teilen möchte. Und bin zum Schluss gekommen, dass es jetzt für mich stimmig ist. Dieser Text ist Ausdruck meiner grossen Dankbarkeit, dass Devi und Leela mit mir während so vieler Jahre durch Höhen und Tiefen gegangen sind. Wir hatten unendlich viele Wegstrecken ohne Steigung oder Gefälle, die wir zusammen in Ruhe, freudig und mit viel Musse durchwandert haben. Panda, unsere Jüngste, und ich werden neue Wege zusammen entdecken, ein neues kleines Rudel wird mit uns älter werden. Darauf freuen wir uns. Devi und Leela werden immer in unseren Herzen sein.

Und dann war dieses Ereignis, das unser aller Leben durchrüttelte
Nun aber zurück in das Jahr 2017. Im März 2017 erlitt ich einen Hirnschlag. Diese fiesen Hirnschläge kommen tatsächlich aus dem Nichts und gänzlich unerwartet. Und sie verändern binnen Sekunden ein ganzes Leben, das Lebensumfeld eingeschlossen. Von dem her finde ich den Begriff «Schlag» doch sehr passend. Zumal ich mich immer als sehr sportlich und gesund eingestuft und auch so gelebt habe.

Die Welt zog sich zurück
Ich erinnere mich noch genau an jenen Abend. Mitten in einer Yogastellung veränderte sich meine Wahrnehmung. Die Welt zog sich zurück, wie wenn ein durchsichtiger Vorhang über mich gelegt würde. Lichtblitze schränkten mein Gesichtsfeld ein. Meine rechte Körperhälfte fühlte sich fremd an, was in mir das dringende Bedürfnis auslöste, durch die Wohnung zu hüpfen, um alles wieder unter Kontrolle zu bringen. Klappt doch! Rechte Seite wieder spürbar, und wenn ich jetzt ins Bett gehe, wird sicher auch das Ding mit dem Gesichtsfeld morgen verschwunden sein.

Devi und Leela hatten eine Ahnung
Devi sah das vermutlich anders. Sie sass die ganze Nacht auf meinem Bett und hat mir immer wieder über das Gesicht geleckt. Leela hat sich in der Nacht ganz eng an mich herangekuschelt. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Hunde zeigen dir so vieles auf, schau am besten ganz genau hin.
Ehrlich gesagt hatte ich irgendwo im Hinterkopf diese Angst, dass etwas gerade gänzlich aus dem Ruder lief. Schliesslich bin ich ja Ergotherapeutin mit ausreichend Fachwissen in Neurologie.
Am nächsten Morgen waren die Buchseiten leider immer noch halb beschriftet, die andere Hälfte fehlte. Das konnte definitiv nicht am Print gelegen haben. Devi benahm sich an jenem Morgen einfach seltsam. Sie leckte mir andauernd die Hände, verfolgte mich durch die Wohnung und war sehr unruhig. Leelas Strategie bei Ungewohntem: Sie lag unter dem Tisch und liess sogar ihren gefüllten Napf links liegen.

Die Stimme in meinem Kopf wurde immer lauter
Und ich? Langsam, aber sicher konnte ich die Stimme in meinem Kopf nicht mehr überhören oder ausblenden. Notfall, jetzt! Sofort! Das war's dann. Stroke-Unit am Kantonsspital. Zum ersten Mal seit Devi und Leela bei uns eingezogen sind, war ich mehr als einen Tag weg ohne sie. Und jetzt wollen die mich nach drei Tagen Stroke-Unit auch noch in die Reha schicken. Eingewilligt habe ich erst, nachdem mir versichert wurde, ausnahmsweise bereits am ersten Wochenende nach Hause zu dürfen.

Mein privates Reha-Team auf vier Pfoten
Devi und Leela waren mein eigenes privates Reha-Team, alltagsbezogen und handlungsorientiert. Wir spazierten durch die Natur auf unseren kleinen Ausflügen. Nur die beiden Damen und ich. Meine Hunde vermittelten mir das Gefühl, in meinem Leben wieder anzukommen, meine Sicherheit zurückzugewinnen. Sie waren mein Kompass und meine Orientierung in dieser Zeit. Sie lehrten mich, mir und meinen Fähigkeiten wieder zu vertrauen. Sie waren ein grosser Teil meiner Motivation, möglichst bald wieder fit zu sein.
Als ich meine Arbeit als Ergotherapeutin und Coach für Menschen mit Hunden wieder aufnahm, waren wir wieder wie gewohnt ein wunderbares, eingespieltes Team. Und als 2018 Panda unsere Familie ergänzte, haben die beiden Damen sie unter ihre Fittiche genommen.

Das Leben schreibt viele Geschichten
Es gibt viele Geschichten, die der Alltag mit drei Hunden schreibt. Keine einzige Sekunde möchte ich davon missen. Alle unsere Erfahrungen machen uns reicher. Sie erweitern unseren Horizont und veranlassen uns, dem Leben gegenüber achtsam und bescheiden zu sein. Ein Hirnschlag ist eine Zäsur in einem Lebenslauf und zeigt auf, wie verletzlich wir Lebewesen sind. Und dass es unsere Aufgabe ist, uns und unseren Mitlebewesen Sorge zu tragen und mit Respekt und Liebe zu begegnen.

Lass jeden Tag des neuen Jahres zum besten Tag werden
Ich schreibe diesen Text heute, weil jetzt für mich der Zeitpunkt ist. Weil ich Glück hatte und wieder zurück ins Leben, zurück in meinen Alltag, zu meinem Lebenspartner und zu meinen Hunden und zurück in mein Arbeitsumfeld gefunden habe. Weil es eine Ode an Devi und Leela ist, meine wunderbaren Hundedamen. Weil ich dankbar bin, Panda in unserem Leben zu wissen. Weil schon wieder ein neues Jahr begonnen hat. Weil ich euch ermutigen möchte, eure Träume zu leben und jeden Tag mit euren Liebsten zum besten Tag des Jahres zu machen. Und weil ich alle Menschen, die eine Hirnverletzung erlitten haben, ermutigen möchte, dass so vieles möglich ist.

In diesem Sinne:

«Euch allen ein wunderbares 2023. Es hat bereits seine Arme ausgebreitet.»

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