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Mehrhundehaltung unter der Lupe, oder: darfs einer mehr sein?

Einführend möchte ich zum Thema Mehrhundehaltung vorwegnehmen, dass wir bis vor kurzem ein Hundedamen-Trio hatten. Ich bin mit Sicherheit keine Mehrhundehaltungs-Gegnerin. Seit elf Jahren bestand unsere Rudel aus zwei Hunden und seit vier Jahren aus drei Hunden. Devi und Leela sind dieses Jahr im Alter von 14 und 11 Jahren verstorben. Es ist zudem auch sicher, dass wir wieder Familienzuwachs haben werden.

Der Trend zur Mehrhundehaltung ist offensichtlich
Heute möchte ich einen kritischen Blick auf einen seit Corona massiv ansteigenden Trend der Mehrhundehaltung werfen. Wenn ich Hundehalter frage, was denn ihre Motivation ist, zum bestehenden Hund noch einen Zweit-, Dritt- oder gar Vierthund anzuschaffen, höre ich Antworten, wie: «Mein Hund hat so Freude an anderen Hunden, und da wir wieder mehr auswärts arbeiten, hat er eine Beschäftigung zu Hauses.» Oder: «Wir haben gleich zwei Welpen genommen, dann können die nett miteinander spielen.» Oder: «Mein alter Hund mag nicht mehr auf lange Spaziergänge, deshalb möchten wir einen jungen Hund dazu.» Oder: «Ich habe im Internet auf der Tierschutzseite diesen armen Hund gesehen, da konnte ich einfach nicht anders als ihn zu uns nehmen.» Oder: «Ich habe gesehen, dass mein Nachbar auch zwei Hunde hat, und die haben so Spass zusammen.»

Es gibt immer einen Grund für mehrere Hunde im Haushalt

Ich könnte hier endlos weiterfahren. Und ja, es gibt immer einen Grund, mehr als einen Hund zu haben. Zurzeit habe ich den Eindruck, dass pauschalisierte Argumente für mehrere Hunde in einem Haushalt überwiegen.
Ich möchte aus meiner Sicht als langjährige Mehrhundehalterin meine Ansicht und Erfahrung mit euch teilen. Natürlich ist es wunderbar für Hunde, wenn sie einen zweiten Hund an ihrer Seite haben. Hunde sind ja schliesslich soziale Wesen. Nur haben die Hunde meistens kein Mitspracherecht bei der Frage, ob sie vier Pfoten mehr im Körbchen haben möchten. Geschweige denn die Möglichkeit, bei der Auswahl mitzureden.

Was sagt denn dein Ersthund dazu?
Falls du dich fragst, ob du überhaupt in der Lage bist, mehr als einem Hund gerecht zu werden, mach dir bitte mindestens so viele Gedanken darüber, ob dein Ersthund das überhaupt cool findet. Und selbst, wenn der draussen mit jedem Hundekollegen um die Wetter rennt, heisst das absolut gar nicht, dass er sein zu Hause und seinen Menschen mit einem Konkurrenten teilen möchte.

Es gibt einiges zu bedenken im Vorfeld, auch zu deinem ersten Hund

Wir haben uns jeweils sehr viele Ueberlegungen im Vorfeld einer Rudelvergrösserung gemacht. Ein mit Sicherheit schlagendes Argument ist neben dem Geselligkeitsfaktor deines Hundes sein Ausbildungsstand. Deine Fachkompetenz natürlich vorausgesetzt.
Seid ihr beide schon so sicher im Alltag unterwegs, dass ihr kein grösseres Thema mehr zusammen habt? Damit meine ich tatsächlich, ob dein Hund locker an der Leine geht, auch unter viel Ablenkung. Ob der Rückruf gefestigt ist und auch in einer belebten Umgebung funktioniert. Ob dein Hund drinnen und auch an einem öffentlichen Ort zur Ruhe kommen und sich entspannen kann. Hat dein Hund ein Jagdthema, wird dein zweiter Hund mit Sicherheit diese Passion übernehmen. Lässt dein Hund keinen Besuch unkommentiert in die Wohnung rein, wird auch dein zweiter oder dritter Hunde nach kurzes Zeit ein Kläffer sein. Hast du einen Leinenpöbler, wirst du bald zwei Exemplare an der Leine führen. Und wenn dein Hund gar ein Thema mit Ressourcenverteidigung hat, nimmt dir das zu Herzen, bevor du eine Entscheidung triffst.

Je souveräner dein Ersthund, desto einfacher ist die Integration eines neuen Familienmitgliedes
Stimmungsübertragung und Lernen am Modell sind die Stichworte, wenn es um Mehrhundehaltung geht. Leela ist zu uns gekommen, als Devi bereits eine absolut souveräne Hündin war. So hat Leela sehr viel auch von ihr lernen können. Und bei Pandas Einzug waren Devi und Leela schon lange Profis im Zusammenleben. Aber selbst dann bleibt immer noch ein Restrisiko, ob sich das Rudel findet, ein weiteres Familienmitglied akzeptiert, und sich alle wohl und zufrieden fühlen miteinander.

Die Lebensqualität des Ersthundes oder bestehende Rudels muss gegeben sein
Nichts Schlimmeres, als wenn dein Hund durch einen Neuzugang in seiner Lebensqualität eingeschränkt wird. Wie ungerecht und egoistisch ist es, seinem alten und bereits kranken Hund einen Welpen ins Körbchen zu setzen. Und nein, ein Welpe ist kein Jungbrunnen in jedem Fall. Welpen sind auch für ältere Hunde sehr anstrengend und können definitiv echt nervig sein. Das Wohlbefinden und die Gesundheit des alten Hundes kann sehr darunter leiden.
Bei einem Hund aus dem Tierschutz hast du keine Ahnung, was sich daraus entwickeln wird. Das kann im besten Fall eine wunderbare Freundschaft werden, im ungünstigeren Fall musst du die Hunde separat spazieren führen oder noch schlimmer, gar in der Wohnung trennen, weil sie sozial nicht kompatibel sind.

Der Neuzugang als Zeitvertreib für den Ersthund
Was mich am meisten auf die Palme bringt, sind Menschen, die sich einen zweiten Hund holen, damit der erste nicht alleine zu Hause bleiben muss, während sie ausserhalb ihrer vier Wände ihrer Arbeit nachgehen. Da geistert doch tatsächlich die Vorstellung in manchen Köpfen rum, dass sich die Hunde selber genügen. Wie um alles in der Welt kann man auf so eine egoistische, absurde und tierschutzrelevante Idee kommen?
Da hat man während Corona und Home Office einen Hund gekauft, der sich jetzt vor lauter Einsamkeit die Seele aus dem Leib heult. Vielleicht vermisst der ja gar nicht einen zweiten Hundekollegen, sondern schlicht und ergreifend seinen Menschen?

Eine Mehrundehaltung setzt Ressourcen auf mehreren Ebenen voraus
Wir haben drei Hunde gehabt, weil wir genau wussten, was wir tun. Weil wir über die notwendigen Ressourcen und Fachkenntnisse verfügen. Weil wir das über lange Zeit geplant und vorbereitet haben. Weil meine Hunde mich jeden Tag begleiten, und zwar 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Weil wir unsere Verantwortung wahrnehmen und für jede einzelne Hündin im Rudel da sind. Weil ich bereit war, mich mit  jedem Hund einzeln zu beschäftigen. Weil unsere Hunde im Alltag ohne Probleme unterwegs sind und waren. Weil ich mir über all die Jahre ausreichend Fachkompetenz angeeignet habe. Und weil ich weiss, dass es eine grosse Aufgabe ist, einem Hund ein hundegerechtes und erfülltes Leben zu bieten, geschweige denn mehreren Hunden. Zwei Hunde ist nicht eins geteilt durch zwei, sondern mindestens zweimal soviel Arbeit und Auseinandersetzung mit einem Individuum. Natürlich auch zweimal soviel Freude.

Verantwortung abgeben an den Hundehort ist scheinbar die Lösung für den Menschen
Ein weiterer Punkt, den ich der Vollständigkeit halber erwähne, ist die Tatsache, dass sich die Hundehütedienste um ein Vielfaches multipliziert haben. Wie muss sich ein Hund fühlen, der vier bis sechs Tage die Woche in der Hundekita abgegeben wird? Damit er am Wochenende zum Freizeitprogramm mutiert und alles nachgeholt wird, was unter der Woche nicht möglich war? Wessen Bedürfnisse stehen denn da im Zentrum? Wieso muss eine Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern eine zweiten Hund haben?

Mensch ein Beginner, Hund ein Beginner
Ich erlebe immer öfters, dass sich VORALLEM Ersthundehalter einen Zweithund kaufen, bevor der erste Hund die Primarschule durchlaufen und auch nur im Ansatz das Hunde ABC verinnerlicht hat. Und auch der Mensch sich noch im grossen Lernfeld der Hundeausbildung am Zurechtfinden ist. Das kann nicht gut gehen!

Die werden das schon richten
Es gibt immer mehr jagende Hunde da draussen, immer mehr Leinenkläffer und Hunde, die soziale Analphabeten sind. Woran das liegen mag? Der Mensch zieht sich aus der Verantwortung, indem er den Hund in die Tagesstätte gibt oder paradoxerweise noch einen Hundekumpel mehr dazu nimmt. Die werden das schon richten. Ja, das werden sie mit Sicherheit.

Mittleweile suche ich meine Spaziergänge danach aus, wo ich unterwegs am wenigsten Hundehüten mit ihren grossen Hundegruppen treffe. Wir streifen durch Gegenden, wo meine Hundewelt noch in Ordnung ist, und wir eher weniger Kontakt im Aussen haben.

Es gibt sie auch, die harmonischen Teams
Was mich auf alle Fälle immer sehr freut und ich jedes Mal begeistert bin und mir das Herz aufgeht sind Menschen, die auch mit zwei- oder drei Hunden als harmonisches Team zusammen unterwegs sind. Die gibt es natürlich auch. Und ich weiss aus Erfahrung, dass da jeweils eine Menge an Arbeit, an gemeinsamem Lernen und Erleben im Alltag dahintersteckt. Und mit Sicherheit eine grosse Liebe und Leidenschaft für unsere Freunde auf vier Pfoten.

  In diesem Sinne:

«Die Entscheidung für eine weiteren Hund hängt von vielen Faktoren ab und will sehr gut überlegt sein.»

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