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Wenn die Hundesitterin in die Trickkiste greift

Seit Corona ist es zur Gewohnheit geworden, das hündische Familienmitglied in die Hundetagesstätte zu bringen. Und seit Corona ist das Hundesitting zu einem einträglichen Geschäftsmodell geworden. Für einen Hütedienst unter fünf Hunden ist es nicht einmal notwendig, eine Bewilligung zu haben oder den Nachweis einer fachspezifischen Ausbildung einzureichen. Ab fünf Hunden wirds dann ernst. Sowohl von der Gesetzeslage her wie auch vom Einkommen, das mit dem Hundesitting generiert wird. Und wenn der Hundehort gleichzeitig auch noch ein bisschen Hundeschule anbietet, schaut das doch echt sehr professionell aus.



Sozusagen all in one. Über die Quicky-all-in-one-Ausbildungen zu reden, würde den Rahmen sprengen und strapaziert schon beim Gedanken daran mein Nervenkostüm. Ob sich jemand befähigt fühlt, nach ein paar kynologischen Wochenendseminaren Hundeschule zu geben und eine professionelle Betreuung anzubieten, liegt im Ermessen und in der Verantwortung des Anbieters oder der Anbieterin.

Corona hat die Hundehütewelt verändert
Seit Corona sind die Hundetagesstätten und somit die Anzahl HundesitterInnen zahlenmässig explodiert. Mit der Einführung des Sachkundenachweises im 2008, kurz SKN, wurden unzählige HundetrainerInnen in Schnellkursen ausgebildet. Das fand ich schon echt bedenklich. Jetzt kommt es aber noch dicker. Jetzt kann alles in einem einzigen Ausbildungsgang kombiniert werden: Hundesitting und Hundeausbildung. Auch das wäre mir im Prinzip noch egal.

Wenn Hundehüten Verhaltens-Tipps abgeben
Was mich aber massiv stört, und jetzt komme ich zum Punkt, ist die Tatsache, dass sich HundesitterInnen anmassen, Mensch-Hund-Teams Verhaltens-Tipps zu geben, die völlig unangebracht und aus dem Kontext gerissen sind. Und das gleich beim ersten Treffen. Ohne das Team zu kennen und ohne eine vertiefte Analyse des Verhaltens vorzunehmen. Ihr Auftrag ist in erster Linie nicht die Ausbildung der Teams, sondern das Hüten und Beaufsichtigen derer Hunde.

Die Wasserflasche als Lösungsmodell
Wenn einem Hundebesitzer, dessen Hund bei Stress Übersprungshandlungen zeigt, empfohlen wird, mit Wasser zu spritzen, und man das gleich auch noch mit dem Kundenhund vormacht, läuten bei mir definitiv alle Alarmglocken. So viel kann in so kurzer Zeit unüberlegt verbockt werden bei einem Hund!
Anstatt die Ursache für das Verhalten zu ergründen, bricht man einfach mal schnell ab. Und voilà, der Hund sitzt erschrocken da und ist kuriert. Wie cool ist das denn!?

Wieso kompliziert, wenn es auch schnell geht
«Was übe ich da herum in der Hundeschule mit Stressmanagement und Alternativverhalten, wenn es doch so einfach geht?», denkt sich der erleichterte Hundebesitzer. Auf meine Frage, ob denn ein Verhaltensunterbrecher wie STOPP oder NEIN der Wasserflaschendusche vorausgegangen sei, damit der Hund in Zukunft vielleicht die kleine Chance hat, sich selbst zu korrigieren – ein klares Nein.

Am liebsen würde ich einen ganzen Eimer Eiswasser über solche Wasserspritzerinnen kippen. Und ich bin sicher, dass dieser Hundesitterin fortan beim Anblick eines Eimers ein grosser Schreck in die Glieder fährt.
Ohne Ankündigung der Wasserdusche wird die Wasserflasche per se zum Abbruchsignal. Darum pack schon mal diverse Flaschen ein und halte eine immer griffbereit in deiner Tasche. Für alle Fälle, man weiss ja nie.

Neurobiologie als Grundlage für Verhalten
Was mich erstaunt ist die Tatsache, dass Neurobiologie offenbar ein Fremdwort ist. Wie unsinnig ist es denn, einem gestressten Hund noch mehr Stress zu bereiten?
Eine Erregung ist kein willentlich gesteuertes Verhalten und kann somit auch nicht mittels positiver Strafe gestoppt werden. Punkt!

Euer beider Wohlbefinden steht an erster Stelle
Es ist deine Aufgabe, Mensch, dafür zu sorgen, dass es deinem Hund gut geht. Das bedingt auch, dich selbst zu reflektieren und in dich hinein zu spüren, ob du in dieser Situation entspannt bist. Beobachte, wie viel dein eigener emotionaler Zustand dazu beiträgt, dass dein Hund in gewissen Situationen gestresst ist.

Und wenn es dir gelingt, deine innere Ruhe zu finden in der Situation, schau genau hin, was dein Hund braucht. Mehr Distanz zum Auslöser vielleicht oder etwas zum Schlecken oder Kauen, um eine Wartezeit im Training zu überbrücken, die für ihn noch schwierig auszuhalten ist.

Je mehr du über dich und deine innere Gestimmtheit weisst, je besser du deine Gefühlslage und die deines Hundes einschätzen kannst, desto absurder wird für dich der Gedanke, eine Wasserflasche als Trainingsutensil mit dir herumzutragen. Oder dich von einer "Pseudo" - Fachperson dazu überreden zu lassen. 

 

 In diesem Sinne:

«Lass die Wasserflasche euren Durst löschen. Dafür ist sie auch gedacht.»

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