Lernen findet im Alltag immer statt

... oder die Sache mit den Konditionierungen
Während Du gemütlich mit deinem Hund auf dem Sofa sitzt und ihm zärtlich das Fell kraulst, lernt dein Hund so nebenbei, dass Sofas einfach tolle Orte sind. Und dass es sich lohnt, rauf zu hopsen, weil es einem da oben bei seinem Menschen so richtig gut geht. Somit wird für deinen Hund das Geknuddelt werden zu einem positiven Verstärker für das Raufhopsen auf das Sofa.

Später am Nachmittag geht ihr dann noch eine Runde laufen. Du denkst: «Ach, heute hatten wir ja schon Hundeschule. Dann lassen wir jetzt mal das Ueben weg». Dein Hund denkt: «Sehr cool, heute ist wieder mal Traktor spielen angesagt!» und zieht dir deine Arme lang in Richtung Nachbarshund. Dein Hund lernt, dass Ziehen an der Leine ihn näher zu seinem Hundekumpel bringt, um Hallo zu sagen. Somit wird  die  Annäherung an den anderen Hund zu einem positiven Verstärker für das Zerren an der Leine.

Der nächste Morgen kommt bestimmt
Dann kommt der nächste Tag. Du bist ausgeschlafen und noch voller Tatendrang. Ein richtig cooler Morgen, um entspannte Hundebegegnungen an der lockeren Leine zu üben. Was für ein Glück! Da kommt auch gleich ein vierbeiniger Kollege um die Ecke gebogen. Und was tut dein Hund? Leine locker halten? Mit Sicherheit nicht. Der erinnert sich an gestern und macht einen auf Traktor.

Du stehst da und verstehst die Welt nicht mehr. Schliesslich wolltest du JETZT UEBEN. Das Beispiel mit dem Sofa kannst du dir gern selber basteln. Stell dir einfach vor, du bekommst Besuch mit Hundehaarallergie. Ich bin sicher, du hast rausgefunden, was passiert. Und unter uns gesagt: Dein Hund kann rein gar nichts dafür. Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass dein Hund nicht aufs Sofa darf!

Es gibt kein Lernen ohne Konditionierungen
Wie ich bereits eingangs erwähnt habe, lernen Hunde – und übrigens auch Menschen – über Konditionierungen. Viele passieren unbewusst. In der Ausbildung von Mensch und Hund geht es sehr oft darum, sich auf die Suche nach diesen unbewussten und oft auch versteckten Konditionierungen zu machen. Manchmal sind sie schnell gefunden, vor allem, was das Ziehen an der Leine betrifft. Darf dein Hund mal ziehen, weil du gerade nicht im Uebungsmodus bist, dann wiederum muss die Leine locker sein, wird dein Hund immer öfters ziehen, weil er ja immer wieder Erfolg damit hat. Dem sagt man in der Fachsprache: Prinzip der variablen Verstärkung. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten – eben das Ziehen – öfters gezeigt wird in Zukunft.

Ueben findet immer statt
Was lernst du daraus? Genauso wie Lernen immer stattfindet, muss folglich auch das Ueben des erwünschten Verhaltens immer stattfinden. Wenn Dein Hund auf dem Abendspaziergang an der Leine ziehen darf, weil du gerade über deinen Arbeitstag nachdenkst oder du einfach keine Musse mehr hast, dich auf deinen Hund zu konzentrieren, ist das nicht sehr zielführend.  Reim dir selber zusammen, wie erfolgsversprechend das Gehen an lockerer Leine ist, wenn der Hund in der Woche mindestens 5 x 20 Minuten daran ziehen darf. Und ich bin überzeugt, es kommen noch einige unbewusste Situationen mehr dazu.

Hundeschule als Ausnahmesituation für den Hund
Ein weiteres, sehr eindrückliches Beispiel für eine Konditionierung könnte so aussehen: Der Mensch berichtet, dass sein Hund regelmässig innerlich hochfährt, wenn sie in die Hundeschule fahren. Der Hund ist sehr aufgeregt und voller Tatendrang, als ob er zu einer Safari aufbrechen würde oder gleich an einem Agility Wettkampf teilnehmen wird.

Der Plan ist aber, mit dem Team ganz gechillt auf einem Spaziergang unterwegs zu sein. Vielleicht gibt es die superguten Gudis für den Rückruf immer nur in der Hundeschule. Und vielleicht kommt auch der Rucksack des Menschen mit dem geliebten Zerrspiel drin nur in die Hundeschule mit, inklusive einer grossen Futtertasche mit den Supergudis. Zähl kurz eins und eins zusammen. Der Alltag des Teams schaut möglicherweise anders aus. Der Mensch hat eventuell ein Konzept, dass in der Hundestunde geübt wird, und der Alltag eben Alltag ist.

Der Alltag IST die Uebung
Und ich sage dir: Euer Alltag ist eure Uebung. Jeden Tag. Auf jedem Spaziergang. 365 Tage im Jahr. Meine Devise ist, dass Hundeplatzkurse nicht alltagstauglich sind, weil der Hund ortsgebunden lernt. Genauso wenig alltagstauglich ist es aber, wenn der Mensch auch die Hundestunde ausserhalb des Hundeplatzes als Ausnahmesituation definiert, nach dem Motto: JETZT ist LERNEN angesagt. Wenn Du das Setting so alltagsfremd gestaltest, indem du ein komplett anderes Equipment mitnimmst und in dieser einen Lektion dann superkonsequent sein möchtest, versteht dein Hund die Welt nicht mehr.

Frust muss nicht sein
Was daraus resultieren kann, ist ein gefrusteter Hund während der Uebungslektion, und ein Mensch, der sagt: « Zu Hause macht er das nie». Klar, wenn dein Hund dich im Alltag öfters hinter sich herziehen darf, findet er es sicherlich weniger cool, 1x die Woche nach deinen Regeln zu tanzen. Oder wenn du im Alltag mit super Belohnungen eher geizig bist, aus der Angst raus, dass dein Hund Weltmeister im Schwergewicht werden könnte, fährt er natürlich in der Uebungslektion innerlich hoch, weil es da was ganz Besonderes zu futtern gibt.

Hundeschulsetting als Ausnahmezustand für den Hund
Fortan wird bereits die Fahrt zur Hundeschule nach all den Vorbereitungen zum Ausnahmezustand für deinen Hund mutieren. Wenn du Pech hast, fängt die Aufregung deines Hundes bereits an, wenn du den Rucksack packst oder die super Häppchen vorbereitest. Nun fragst du dich sicher, was du verändern kannst. Und ich bin bin überzeugt, du kennst die Antwort bereits. Wenn LERNEN IMMER STRATTFINDET, FINDET AUCH UEBEN IMMER STATT. Und schwupps wird dein Alltag zu einem megatollen Uebungsfeld für dich und deinen Liebling. Mit Käse und allem drum und dran.

Sollltest du dich nun in der einen oder anderen Situation erkennen, völlig normal. Solche Verknüpfungen passieren uns allen. Wichtig ist, dass sie uns bewusst werden und wir sie dadurch verändern können. Ich nehme mich da nicht aus.

In diesem Sinne:

«Verleiht eurem Alltag Flügel und lasst jeden Spaziergang zu einem tollen Uebungsfeld werden.»