Skip to main content

Alter Zopf zum Abschneiden: Angst wird mehr durch Zuwendung

Angst wird durch Zuwendund verstärkt, echt jetzt?
Leider geistert immer noch diese komplett irrwitzige und unhaltbare Annahme durch die Hundewelt  - noch schlimmer: durch gewisse Hunde—und Welpenschulen - , dass Angst durch Zuwendung verstärkt werden kann.

Der Dino unterm Bett
Einführend möchte ich eine kleine Geschichte aus meiner Kindheit erzählen: ich hatte eine Phase im Alter von etwas 4 Jahren, in der ich fest überzeugt war, dass unter meinem Bett ein Dino sitzt und nur darauf wartet, auf meine Matratze zu hüpfen, sobald ich eingeschlafen bin. Klar, rein grössentechnisch ein Ding der Unmöglichkeit. Aber sag das mal einem 4 - jährigen Mädchen. Meine Mutter hat sich dann an mein Bett gesetzt, mich in den Arm genommen, sie hat unters Bett geschaut und mir versichert, dass da weder ein kleiner noch ein grosser Dino sitzt. Wir haben zusammen noch ein bisschen gekuschelt und ich bin zufrieden ins Land der Träume hinübergeschlummert.

Da habe ich echt Glück gehabt
Was bin ich froh, dass meine Mutter nichts von diesem Blödsinn gehört hat, Angst über Zuwendung zu verstärken. Hätte sie mich ignoriert und wäre ohne Worte wieder aus dem Zimmer gegangen, wäre mein Urvertrauen mit Sicherheit ziemlich erschüttert gewesen.

Eine sichere Bindung als Grundvoraussetzung, um mit Angst machenden Situation umgehen zu können
Später in meiner Ausbildung zur Ergotherapeutin habe ich sehr viel über Emotionen, Emotionsregulation und deren Auswirkung auf das Verhalten erfahren. Vor allem im Fachbereich Pädiatrie ging es viel um Bindungsverhalten und was man als Eltern dazu beitragen kann, dass das Kind eine sichere Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen aufbauen kann.

Was gibt den Menschen Sicherheit in ängstigenden Situationen
In meinem zweiten  Arbeitsbereich Ergotherapie Psychiatrie tiergestützt bin ich öfters mit Klienten im Alltag unterwegs, die Angststörungen, respektive Phobien haben. Würde ich sie in dieser Situation alleine lassen und deren Angst nicht beachten, wäre unsere therapeutische Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Wenn ich zusätzlich die Hunde dabeihabe, gibt es dem Menschen viel Sicherheit, wenn er in einer Angstsituation eine meiner Hundedamen streicheln oder sich ihr zuwenden kann. Und wer sich ein bisschen mit Hormonen befasst hat, weiss um die positive und Angst verringernde Wirkung von Oxytocin, dem Kuschelhormon. Genau das wird über einen angenehmen Körperkontakt oder über Zuwendung ausgeschüttet.

Zuwendung lässt die Angst kleiner werden - nicht umgekehrt
Und nun sagt mir bitte mal, woher dieses Un – wissen kommt und sich über all die Jahre in einigen Köpfen festgekrallt hat und noch immer krallt, dass Angst über Zuwendung verstärkt werden kann.

Das bestätigt auch die Lerntheorie
Das eher Doofe daran ist, dass einige kynologische Fachpersonen solche längst zum Abschneiden verurteilten Zöpfe immer noch ungefiltert und ohne haltbare Grundlagen an ihre Kunden weitergeben. Sehr erschütternd ist die Tatsache, dass sie ihr Statement: «Angst wird durch Zuwendung verstärkt» auch noch mit der Lerntheorie untermalen. Und etwas peinlich ist das zudem.

Die Lerntheorie beschreibt mit den vier Quadraten das operante Lernen. Operantes Lernen ist bewusstes Lernen und kann vom Hund verändert werden. Ein Beispiel für positive Verstärkung: Hund macht Sitz, er bekommt dafür wiederholt ein Gudi, er wird immer öfters Sitz machen, weil er das Verhalten Sitz kognitiv verstanden und natürlich mit einer positiven Emotion verknüpft hat. Es gibt kein Verhalten ohne Emotion. Und jede Emotion ist auch  mit einem Verhalten verknüpft, wie etwas das Erstarren oder die Flucht bei einem Angst auslösenden Reiz.

Angst ist eine Emotion und kein Verhalten
Die «Angst  - verstärken - mittels - Zuwendung – Vertreter» sagen, dass Angst wie beim operanten Lernen über eine positive Verstärkung wie Zuwendung oder Futter verstärkt wird. Ehrlich, wie schräg ist das denn. Angst ist eine EMOTION und kein Verhalten. Eine negative Emotion wie Angst kann über eine positive erfahrene Zuwendung ganz sicher nicht grösser gemacht werden.

Was empfindet dein Hund als angenehmen und beruhigend?
Einzig wichtig dabei ist: der Hund muss die Form von Zuwendung definitiv auch positiv erleben, erfahren und verarbeiten.
Versuchst du eventuell einen vor Menschen panisch agierenden Hund mit Streicheln zu belohnen, wäre das definitiv fehl am Platz. Hier wäre sicher eine adäquate Möglichkeit, dem Hund mehr Raum zu geben, also den Abstand zu vergrössern. Hast du hingegen einen Welpen, der vor einer Kuh Angst hat, wäre es ziemlich fatal, ihn in dieser Situation einfach stehen zu lassen und weiterzugehen, nach dem Motto: «Die frisst dich schon nicht» und noch den Satz dazu hinterherschieben: « Da muess er jetzt halt dure».

Wie du an diesen zwei Beispielen sehen kannst, gibt es nicht die eine richtige Reaktion oder Verhaltensantwort, wenn dein Hund Angst hat. Du überlegst jeweils, was die Angst kleiner machen könnte beim jeweiligen Hund. Und kleiner wird die Angst, wenn der Hund etwas erfährt oder erlebt, das eine angenehme Emotion auslöst.

Es gibt kein Patentrezept für ein Lebewesen
Würdest du in jeder Situation die eingangs erwähnte Patentmethode anwenden mit dem Nichtbeachten, bin ich überzeugt, dass Dein Hund eine Bindungsstörung entwickeln wird und dir auch nicht mehr vertraut in anderen Situationen. Aber am einfachsten finde ich die Variante, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen, der Gegenübertragung Gehör zu schenken, die Emotion wahrzunehmen und deinem Hund in der jeweiligen Situation das zu schenken, was er tatsächlich braucht.

In diesem Sinne:

«Hab keine Angst, die alten Zöpfe in den Müll zu werfen.»

 

  • Aufrufe: 50