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Trägt Dein Hund schon hellgrün?

Wie ihr alle sicher auch, haben ich in den vergangenen Wochen viel über das neue Sars-CoV 2 und die damit einhergehenden Veränderungen im gesellschaftlichen Leben gelesen, gehört, angeschaut und mir viele Gedanken gemacht. Zu Beginn sehr intensiv. So habe ich jeden Morgen zuerst die News geöffnet, um mich mit den neuesten Meldungen zu «füttern». Meine Gefühlswelt schwankte zwischen Neugier, Angst, Vertrauen, Hoffnung, Zuversicht und Ohnmacht rege hin und her.

Ich habe in den vergangenen Wochen versucht, durch sehr unterschiedliche Informations- und Wissensquellen eine Vorstellung davon zu erhalten, was dieses Virus mit uns und unserem Alltag längerfristig anstellen wird. Und ich habe versucht mir vorzustellen, wie unsere Hundespaziergänge in Zukunft ausschauen werden.
Ähnlich dem Maulkorbzwang für bestimmte Hunderassen, gibt es bald Mundschutzpflicht für die Menschen im öffentlichen Raum. Die Hunde werden lernen, dass die Zweibeiner eine Maske im Gesicht tragen und die Anweisungen etwas gedämpfter zum Hundeohr durchdringen, je nach Mundschutzmodell. Rückruf mit Pfeife fällt flach, es sei denn es kommt ein adaptiertes Mundschutzmodell auf den Markt. Tüftler sind gefragt, in der Entwicklung einer Pfeifen tauglichen Version mitzudenken.
Auch die gänzlich andere menschliche Mimik wird unsere Vierbeiner vor ganz neue Aufgaben und Herausforderungen stellen. Sie werden lernen, dass ein leichtes Verschieben des Mundschutzes nach oben rechts und links ein mögliches Lächeln bedeutet und ein nach unten ziehen desselben eine mögliche Missbilligung eines gezeigten Verhaltens. Oder aber, sie konzentrieren sich vermehrt auf unsere Augenpartie, es sei denn, diese wird zusätzlich durch eine Schutzbrille stark verändert. Oder aber, sie lassen unsere Gesichter aussen vor und konzentrieren sich lieber auf die Körpersprache als auf die Mimik. Bleibt nur zu hoffen, dass wir uns nicht auch noch in Schutzanzüge zwängen müssen, die für unsere Grobmotorik definitiv nicht vorteilhaft sein können.
Wir Hundetrainer werden zukünftig eine neue Trainingseinheit in unser Programm einbauen: «Wie kommuniziere ich klar und eindeutig mit Mundschutz und Schutzbrille mit meinem Hund».
Ein weiterer, sicherlich nicht zu vernachlässigender Aspekt werden die Hundekontakte draussen sein. Wie nahe lasse ich denn nun meinen Wurzel zu dem sich nähernden Purzel ran? Ist dessen Frauchen oder Herrchen wohl coronafrei? Wer hat den denn heute schon alles gestreichelt ( den Vierbeiner meine ich)? Vorher Hände desinfiziert? Soll ich das Risiko eingehen? Und was, wenn der Mensch dann auch noch stehenbleibt und mit mir redet? Was, wenn der Mensch zu allem hin den Wind im Rücken hat? Und all die Viren mit Gedöse zu mir rüber wehen?
Es werden sich ganz neue modische Accessoires für Hund und Mensch auf dem Markt etablieren: Leine und Halsband für den Hund mit farblich dazu abgestimmtem Mundschutz für den Menschen. Dazu im selben Farbton Schutzhandschuhe und auch das Schutzbrillengestell ist erhältlich mit Wechselrahmen. Je nach dem, welche Leine und Halsung man für den heutigen Spaziergang ausgewählt hat. Und auf keinen Fall vergessen: das schicke Bauchtäschchen für das obligatorische Desinfektionsmittel. Steht neu im Hundegesetz verankert: Der Halter ist verpflichtet, auf dem Hundespaziergang sein Desinfektionsmittel mitzuführen. Paragraph 2.4, Abschnitt 23.5.
Im Park dürfen die Hunde nur noch links rum ausgeführt werden, um ein spontanes Zusammentreffen im Gegenverkehr zu vermeiden. Auch draussen in der freien Natur hat jedes Handy einen Abstandmesser als App installiert. Bei 5m Distanz zum nächsten Hund – Mensch – Team beginnt es zu vibrieren, bei 3m dann der Superalarm und das sofortige Zeichen für Stehenbleiben oder den Rückzug antreten. Werden diese Regeln nicht befolgt, bekommt der Mensch digital und automatisch 5 Strafpunkte auf seinem Handystrafpunktekonto eingetragen. Dieses wird zentral verwaltet von einem extra dazu ins Leben gerufenen Amt für die Ueberwachung von Menschen mit Hund. Abgestuft in einem differenzierten und umfassenden Bussensystem.
Früher war die gängige Frage bei Hundebegegnungen: "Isch es e Rüd oder e Hündin?" Die zweite Frage: " Isch er oder sie kaschtriert?" Bald wird die Frage sein: "Hesch du oder händ Sie de Virus scho gha?" Bei einer positiven Antwort: «Ja, scho gha», dürfen die beiden Hunde zusammen spielen. Sollte die Antwort von nur einem der beteiligten Menschen negativ ausfallen, müssen die Hunde leider an der Leine bleiben. Sind beide negativ, dürfen die Hunde natürlich auch.
In einem deutschen Bundesland gibt es eine Prüfung für die Leinenbefreiung, eine Art Hundeführerschein. Im Zeitalter des Coronavirus gibt es vielleicht bald nur noch Leinenbefreiung für Hunde, deren Halter ein Attest mitsichtragen, das sie als Coronavirus frei oder bereits gehabt, folglich immun identifiziert. Zur besseren Erkennung auf Distanz tragen diese Teams dann eine hellgrüne Weste und der Hund ein hellgrünes Halstuch.

Wenn ich so darüber nachdenke, könnte da ein Ruck durch die Erziehungswelt gehen und viel mehr Wert darauf gelegt werden, wie Hundebegegnungen AUCH stattfinden können. Also nicht mehr nach dem Motto: "ich los min mol tschättere, passiert scho nüd"; sondern eher durch eine langsame und kontrollierte Annäherung. Schliesslich will man ja gesund bleiben. Also zuerst der Corona – Fremdcheck: "trägt der Hund hellgrün?" Ich muss sagen, das hat was! Will ich die Hundestreichler und Derwillnurspielenmenschen davon abhalten, sich auf meine Hunde zu stürzen, respektive ihren Hund stürzen zu lassen, stecke ich einfach das hellgrüne Tuch und die Weste in die Tasche und schon habe ich meine Ruhe, ganz nach dem Motto: "Oh je, die könnten ja DAS VIRUS TRAGEN." Und wie durch ein Wunder machen alle einen grossen Bogen um uns rum.

Was auf den ersten Blick nach einem rücksichtsvollen Umdenken in der Begegnung mit einem fremden Hund – Mensch – Team ausschaut, ist wohl eher ein egoistischer Akt zum Schutz der EIGENEN Gesundheit. Nichtsdestoweniger würden sich die mich jeweils sehr nervenden rücksichtslosen Ueberfälle durch andere Hunde auf ein Minimum reduzieren. Und wir könnten gechillt durch die Landschaft spazieren. Wie sagt man so schön: der Krise eine gute Seite abgewinnen. Und ironisieren in der Krise ist erlaubt.

Bleibt gesund und kauft jetzt bitte keine hellgrünen Tücher.

 

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