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Leinenzerrer - zum X-ten

Ja, genau, schon wieder ein Blog zum Thema Leinenziehen. Wenn Du jetzt denkst, dass du ein paar super Tricks bekommst, um deinem HUND das Ziehen abzugewöhnen, wirst du ziemlich sicher enttäuscht sein. Ausser, du bist lernbegierig, trägst den Tierschutzgedanken nicht nur in dir, sondern lebst den auch gegen aussen, sprich: deinem Hund gegenüber und bist bereit für Veränderung. Dann lies ruhig weiter. Ansonsten lieber gleich die Zeit fürs Lesen sparen. Ist aber trotzdem kein Lernblogg, sondern ein Umdenkblog.

 

Anlass, um mich schon wieder diesem leidigen Thema zuzuwenden, ist eine Beobachtung von heute auf dem Weg ins Training mit meinen Hunden. Wir stehen an der Ampel, ich schaue so ein bisschen rum und… da sticht mir eine kleine Bulldogge ins Auge, die verzweifelt versucht, sich am Strassenrand zu lösen. Leine wie ein Drahtseil zum Zerreissen gespannt, der Mensch am anderen Ende mit beiden Händen ziehend. Wäre ich nicht die erste in der Ampelschlange gewesen und auch, weil`s hinter mir schon ungeduldig hupt, wäre ich ganz sicher ausgestiegen und hätte den Herrn darauf aufmerksam gemacht, dass sein Hund mal «muss».
Für den Rest der Autofahrzeit (48 Min) habe ich mir darüber Gedanken gemacht, weshalb immer und immer wieder an dieser verdammten Leine gezogen wird. Entschuldigung für den Ausbruch, aber ich ärgere mich wirklich sehr über diese unsensible und gesundheitsschädigende Verhaltensweise etlicher Hundehalter. Ich habe für mich einige Erklärungsmodelle bereitgelegt, die zu validieren wären.

Modell 1: der Mensch hat als Kind einen Hund auf Rädern erhalten und durch das Hinterherziehen des Spielzeughundes an der Schnur ein fixiertes und kaum mehr reversibles Verhalten konditioniert. Da diese Tätigkeit in einer sensiblen Entwicklungsphase stattgefunden hat ( 3 – 5 Jahre), eher schwierig zum Umpolen. Also kann man hier zweifellos festhalten, dass das frühkindliche Gehirn eine neurologische Spur gelegt hat: sobald ich eine Art Seil oder Strick in den Händen halte, muss ich daran ziehen. Daraus haben sich dann verschieden Tätigkeitsbereich entwickelt: HundeHALTER, SeilZIEHER, SchlittenZIEHER etc. Das Ziehen eines Objektes an einem Seil oder das Festhalten desselben an einem Seil, ist zu einer sogenannt konditionierten Verhaltensweise geworden.

Modell 2: «Wir hatten schon einen Hund und der hat immer so an der Leine gezogen.» ( sic! Der Hund, nicht der Mensch). Dieser Typ Hundehalter möchte das zwar auf keinem Fall bei seinem neuen Hund / Welpe erleben und formuliert das auch so: «Er – der Hund - muss locker an der Leine gehen.» Und NICHT: "ich benutze die Leine nur als Alibi und führe meinen Hund mit Präsenz und Achtsamkeit."
Kaum hält dieser Typ Mensch oder «Schon – mal – Hundehalter» eine Leine in der Hand, setzen die Reflexe gnadenlos ein: rechte Hand hält das Ende der Leine oder die Schlaufe, linke Hand greift ca. 30 cm oberhalb des Halsbandes zu. Und der Hund hechelt und zieht, was das Zeugs hält. Echt! Wozu den die ganze Länge von 2m? Wenn es auch knappe 30 cm tun? Wenn ich das schon sehe unterwegs - eben oft aus dem Auto raus-, wie die Hunde mit 2 Händen an der Leine festgehalten werden, bekomme ich echt eine Krise. Keine Chance, alte Verhaltensmuster zu verändern. Das Kleinhirn schaltet auf Autopilot.

Modell 3: «Die Flexileinen – Fraktion». Auch da habe ich schon einiges berichtet und noch mehr gesehen. Etwas schwieriger tue ich mich mit einem Erklärungsmodell. Irgendwie eine dubiose Mischung der Motivationen von Seiten der HundeHALTER:
Leine soll nicht schmutzig werden
Ein Flair für Technik, da eine sehr mechanische Angelegenheit mit all den Knöpfen
Ein Problem, loszulassen, im wahrsten Sinne des Wortes, denn: wenn das Kästchen fliegt, wenn möglich noch hinter dem Hund her, eher eine blöde Geschichte mit nicht selten fatalen Folgen. Also feste Klammern
Der Handtaschentyp, der sich OHNE nackt fühlt; ohne Tasche meine ich
Der Spassvogel, welcher im letzten Moment seinen Hund nach vorne schiessen lässt, Ueberraschungseffekt vorprogrammiert

Ich verstehe den ganzen Hype um diese Leinen und Haltevorrichtungen in allen Farben und Variationen nicht. Und ich bin schon gar nicht kompromissbereit, wenn diese Dinger auch noch mit Würge- oder Zugeinrichtung unter den Achseln des Hundes ausgestattet sind.

Aber was mich wirklich auf die Palme bringt, ist ein Mensch, der nicht bereit ist, an seiner Führkompetenz und am Handling mit so einer Leine zu arbeiten. Ich schaue mir sein Gezerre knappe 10 Sekunden an, dann MUSS ich einschreiten. Was soll das denn! Wie kann ein Lebewesen ein anderes Lebewesen derart am Hals rumziehen? Rucken und Schränzen, bis der Hund immer mehr nach vorne wegwill, röchelt und sogar husten muss? Weil diese Leine alles eindrückt und einschnürt, was an hochsensiblen Strukturen genau dort vorhanden ist, wo die Leine am Halsband festgemacht ist? Solltest du dich jetzt entspannt zurücklehnen, weil du deinen ziehenden und zerrenden Hund am Brustgeschirr führst, muss ich dich leider gleich wieder aufstehen lassen. Ist zwar etwas weniger unangenehm für den Hund, aber genauso ein No – Go und genauso tierschutzrelevant. Wenn Du einen nicht Leine gewohnten Hund übernimmst, muss der natürlich gemeinsam mit dir lernen, dass Ziehen nicht zum Erfolg führt. Und ein notorischer Zieher darf endlich lernen, dass es auch anders geht und erst noch viel angenehmer ist. Und da spreche ich beide Enden der Leine an. Hast du einen Welpen in Ausbildung, gibt es keine Erklärungsmodelle, weshalb DEIN Welpe zieht. Sondern schlicht und einfach die Tatsache, dass du ihm das – ungewollt – beigebracht hast, weil dein Timing und dein Handling noch nicht passen und / oder du den Welpen permanent überforderst und davon ausgehst, dass der mit dem Leinen-Gen auf die Welt gekommen ist und schon mehr als 10m an dem Ding gehen kann.
An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass es nicht rassebedingt ist, wenn ein Hund zieht. So was Absurdes höre ich auch öfters. Aber es ist menschenbedingt, dass der Hund das Ziehen lernt oder gelernt hat. Und es ist einzig die Verantwortung des Menschen, dass seinem Hund das Ziehen nicht widerfährt.

 

 

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