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Was die Marroni-Tüte mit unseren Hunden zu tun hat

Alle Jahre wieder der Marronistand in der Marktgasse
Jedes Jahr steht in der Marktgasse der Marroniwagen. Wie in alten Zeiten werden die Marroni in die Marronipfannen gefüllt und geröstet. Die Hände der Verkäufer sind meistens etwas schwarz von den leicht verkohlten Marronischalen. Vor dem Stand hat sich bereits eine Schlange gebildet, es entsteht ab und zu ein Gespräch unter den Wartenden.

Jetzt sind wir an der Reihe, also meine Hundedamen und ich. Während die runden, angekohlten, heissen Nussfrüchte in die braune Tüte mit zwei Abteilen, eines für die ganzen Marroni, das andere für die Schalen, abgefüllt werden, steigt in mir die Vorfreude auf den Genuss dieser leicht süsslichen Edelkastanien.

Marroni schält und isst man nicht einfach so
Was ich jedes Jahr von Neuem sehr gerne mache, ist die Marroni aus der Schale zu pulen. Jede Marroni ist einzigartig und jede Schale verhält sich anders, immer bereit für eine Überraschung. Wie leicht lässt sich die Schale ablösen? Finde ich eine oder zwei Früchte vor? Verbrenne ich mir die Finger oder ist das Innere schon etwas abgekühlt, bereit in den Mund geschoben zu werden?

Dann das Handling mit der Tüte, ganz nach dem Motto: «Die schlechten ins Kröpfchen, die guten ins Töpfchen.» Bei mir kommt erschwerend hinzu, dass ich zwei um Marroni bettelnde Hunde neben mir habe, die es kaum erwarten können, in den Genuss dieser geschälten Leckerei zu kommen. So handle ich also nicht nur die Marronitüte, sondern auch noch zwei Hundedamen, die ihre Nasen in Richtung Tüte recken. Was für ein feines Genusserlebnis, im wahrsten Sinn des Wortes. Vom Anstehen bis zum Verzehr der Marroni haben wir einige Handlungsschritte hinter uns gebracht.

Die Variante «Marroni fix und fertig» aus der Vorratsschrank
Gestern habe ich in unserem Vorratsschrank nach Essbarem Ausschau gehalten und dabei eine Packung mit geschälten Marronis entdeckt: «Marroni pellati» steht angeschrieben. Toll, gerade richtig für den kleinen Hunger. Ich hole eine Schere, schneide die Verpackung auf und geniesse eine erste Frucht. Rein geschmacklich völlig ok. Auch den Hundedamen-Verköstigungstest haben sie bestanden.

Was jedoch gänzlich unbefriedigt bleibt, ist die Erlebnisebene wie oben beschrieben. Auch für die Hunde eine reine Essensangelegenheit. Alle oben erwähnten sensorischen, motorischen und kinästhetischen Inputs fallen weg. Einfach ausgedrückt: Tüte aufschneiden und essen. Ausser, man wärmt die Marronis auf oder verarbeitet sie weiter.

Du fragst dich jetzt sicher, was das mit der Fütterung unserer Hunde zu tun hat. Sehr viel, wie du gleich erfahren wirst.

Futter aus dem Napf ist weniger spannend als Futter zu sammeln oder sich spielerisch zu erjagen
Es gibt ausführliche Verhaltensbeobachtungen bei Strassenhunden in europäischen Ländern, welchen regelmässig Futter in Näpfen hingestellt wird. Sie müssen also nicht wirklich hungern, ihr Grundbedarf ist mehr oder weniger gedeckt. Wenn ihr jetzt denkt, dass die Strassenhunde nur noch aus diesen Näpfen ihr Futter rausfressen, weil das so bequem geht, liegt ihr gänzlich falsch. Obwohl Hundefutter vorhanden und zugänglich ist, durchwühlen die Hunde Abfalleimer und gehen auf Futtersuche. Sie betreiben ein sogenanntes «contrafree Loading».

Glen Jensen (1963), Verhaltensbiologe, hat beschrieben, dass bei Futter, welches den Tieren frei angeboten wird und bei Futter, für welches die Tiere etwas machen können, die Tiere sich für Letzteres entscheiden. Was bedeutet, dass es ihnen mehr Spass macht, sich das Futter zusammenzusuchen, als sich einzig aus dem Napf zu ernähren.

Auch Dr. Ute Blaschke, Referentin, Verhaltensbiologin und Verhaltenstherapeutin für Hunde, beschreibt das ähnlich: «Es ist weniger die Belohnung, welche den Hunden Spass macht und am meisten Freude bereitet, sondern das Verhalten, welches sie mit oder für die Belohnung zeigen können. Wir belohnen keine Hunde, sondern verstärken Verhalten.»

Kurz gefasst: Dein Hund hat je nach Veranlagung mehr Freude, einem rollenden Keks hinterherzuhetzen, als ihn aus der Hand zu fressen. Oder Gudis im Gras zusammenzusuchen, als in den Fang geschoben zu bekommen.

Was bedeutet das jetzt für die Fütterung unserer Hunde?
Einfach etwas mehr Fantasie an den Tag legen, was die Darreichungsform betrifft. Gerne gebe ich dir an dieser Stelle noch einige Inputs mit: Du kannst das Nassfutter oder Barf in einen Futterkong füllen, anstatt in den Napf. Es gibt diverse Varianten und Formen dieser Kongs. Oder du kannst die Futterration im Garten oder im Haus in kleine offene Tupperwaredosen packen und deinen Hund auf die Suche schicken. Viel Freude macht je nachdem auch ein Futterball, der beim Kullern Gudis freigibt, die dein Hund zusammensuchen darf. Weitere Ideen sind, Gudis in zerknüllte Handtücher einpacken oder in Kartonschachteln, die zuerst geschreddert werden dürfen. Auch Haushaltpapier-Rollen eignen sich wunderbar zum Befüllen mit Trockenfutter. Sehr einfach ist, das Trockenfutter anstatt in den Napf zu geben, in einem Suchenteppich zu verstecken. Oder eine grossflächige Suche im Gras oder auf dem Waldboden auszulegen.

Das sind nur einige Beispiele. Ich bin sicher, dir fallen viele weitere dazu ein.

Mehr zum Thema: Contrafree Laoding und Enrichment findest du in diesem spannenden Beitrag:

https://www.bindisbucketlist.com/post/what-is-contrafreeloading-how-does-it-affect-enrichment

 In diesem Sinne:
 

«Wenn du das nächste Mal an einem Marronistand vorbeigehst, kaufe dir eine gefüllte Tüte. Ich verspreche dir, es lohnt sich. Vielleicht teilst du den Inhalt sogar mit deinem Hund?»

 

 

 

 

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