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Wendy und ihr neues Brustgeschirr

Vorhin waren wir im Hundefachgeschäft, weil Wendy aus ihrem alten Brustgeschirr herausgewachsen ist.
Die Farbe lassen wir mal aussen vor. Himbeerrot war das einzige in ihrer Grösse und in der von uns gewünschten Version mit zwei Schnallen rechts und links. Egal, denke ich, Hauptsache das Teil sitzt. Die nette Fachperson hat dann gleich alles auf Wendys Figur passend eingestellt. Während Wendy es trug, versteht sich.
Wer Wendy kennt, weiss inzwischen, dass man jede Handlung an ihr im Voraus gefälligst anzukündigen hat. Alles andere stösst bei Wendy auf Widerstand. Was ich sehr gut nachvollziehen kann und auch völlig in Ordnung finde.
 
Es ist ja nur eine Schere
Stell dir jetzt bitte kurz vor, wie du im Kleidergeschäft eine Jacke anprobierst, die Etikette mit Preisschild befindet sich am Rücken auf deiner Kragenhöhe.
Dir gefällt die Jacke, und weil es draussen kühl ist, möchtest du sie gleich anbehalten.
Während du in Gedanken noch bei der neuen Jacke bist, greift dich jemand mit der Schere an. Von hinten und ohne Ankündigung. Hinterrücks, sozusagen. Du spürst das kühle Metall an deiner Nackenhaut und erstarrst vor Schreck. Das dauert gefühlt zwei Sekunden, dann hat dein Verstand die Situation eingeordnet und als ungefährlich definiert. Die Fachperson möchte das Preisschild entfernen. Du entspannst dich und atmest einmal kurz durch.
 
Gefummel ohne Vorankündigung geht gar nicht
Bei Wendy ist das vorhin im Geschäft so ähnlich gewesen: Nachdem das himbeerrote Teil an Wendy sass, folgte das Gefummel der Fachperson an den Schnallen, was von Wendy schon als leicht lästig eingestuft wurde.
Dann von vorne und ohne Vorwarnung eine Hand mit einem Werkzeug bestückt, die sich schnell dem Brustgeschirr näherte, welches sich wie gesagt an Wendy befand. Und das auf Höhe des Gurtes im Nackenbereich. Die nette Fachperson wollte nur die Etikette vom Brustgeschirr wegschneiden. Ein No-Go für Wendy!

Wendy möchte in bevorstehende Handlungen einbezogen werden
Ich war von der Aktion genauso überrascht wie Wendy. Die Absicht, die Etikette zu entfernen, war sicher sehr zuvorkommend und auch kundenorientiert gedacht. Das wusste aber Wendy nicht. Sie sah das metallene Objekt schnell auf sich zukommen und bewegte den Kopf schon mal präventiv in Richtung Scherenhand. Festhalten, um das Etikett wegzuschneiden, geht gar nicht! Zwangsmassnahmen findet Wendy ziemlich doof.
 
Was aber sicher und immer geht, ist eine höfliche Vorgehensweise:
- Wendy ansprechen
- Ankündigen, was man vorhat
- Einen Moment Zeit geben und Wendys Bereitschaft für das bevorstehende Handling abfragen
- Ruhig, freundlich und bestimmt vorgehen, ohne Aufregung in der Stimme und im Handling
- Das tolle Verhalten gut verstärken
- Mit einem zufriedenen Hund und neuem Brustgeschirr aus dem Laden gehen
 
Nein, Aushalten ist keine Option!
Wenn du der Meinung bist, dass ein Hund solche Überraschungs-Aktionen aushalten muss, nach dem Motto: "Passiert ja nichts Schlimmes", kann ich dir nicht zustimmen.
Es gibt Hunde, die lassen Vieles über sich ergehen, auch wenn ihr Blick des öfteren etwas anderes ausdrückt und nicht selten Bände spricht.
Oder der Hund wird gemassregelt, wenn er uns mitteilt, dass er bitte noch einen Moment Zeit braucht, um sich auf die neue Situation einzustellen.
Ich frage dich: "Welche Möglichkeiten hat denn dein Hund, um dir mitzuteilen, dass es ihm zu schnell geht bei einer Berührung? Auf den Stopp-Knopf drücken? Die Pfote in die Höhe halten?"
 
Auch Hunde wollen ein Mitspracherecht
Wendy gehört nicht zu den Hunden, die sich klein machen oder etwas über sich ergehen lassen. Wendy möchte mitbestimmen und die Kontrolle über eine Situation behalten dürfen. Das erreichen wir mit Ankündigen und Kooperationssignalen sowie positiver Verstärkung für ihr tolles Mitmachen. Alles andere ist zum Scheitern verurteilt.
 
Ganz wichtig an dieser Stelle zu betonen:
Auch wenn dein Hund beim Tierarzt immer freundlich ist, nicht mit der Wimper zuckt, jede Spritze mit Gelassenheit entgegennimmt, nie die Lefzen hochzieht oder seine Nase rümpft, ist das alles andere als selbstverständlich!
Ganz egal, ob du ein Medical Training gemacht hast, oder ob dein Hund von Natur aus so gechillt ist: Lass deinen Hund wissen und spüren, wie gut er das macht, wie stolz du auf ihn bist und wie sehr du dich darüber freust.
 

In diesem Sinne:

«Kooperation bedeutet nicht, dass dein Hund alles mitmacht, sondern dass du ihm die Chance gibst, auch nein sagen zu dürfen».

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