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Dein Hund ist deine Chance für inneres Wachstum

Wir sind immer im Kontakt mit dem Aussen
Du bist mit deinem Hund draussen unterwegs, da kommt dir ein anderes Mensch-Hund-Team entgegen. Dein Kopf geht in Sekundenschnelle alle möglichen Varianten durch, wie ihr am besten und ohne Gedönse oder in die Leine zu hechten vorbeikommt. Du springst gedanklich von dir zu deinem Hund, zum sich annähernden fremden Hund, zum Hundehalter, suchst nach Fluchtwegen oder Erdlöchern und versuchst, in dieser kurzen Zeit der Einschätzung und Bewertung der Sachlage einen Handlungsplan zu entwerfen und gleich auch noch umzusetzen.

Wie war das nochmals? Was hat unser Hundecoach gesagt, welche Strategie wir in dieser Situation anwenden sollen? Bogen gehen, umdrehen, mit Futtertube locken, auf den Arm nehmen, vor den Hund hinstehen, Blickkontakt einfordern, die Leine verkürzen, die Leine locker lassen, tief durchatmen, beide Füsse im Boden verankern, die Leine um einen Baum wickeln, wegrennen… Du ahnst sicher, was gleich passieren wird: Beide Hunden hängen in der Leine und du versuchst mit Muskelkraft, deinen zu einem Zweibeiner gewordenen Vierbeiner wieder unter Kontrolle zu bekommen, respektive ihn zum Weitergehen zu bewegen.

Endlich geschafft, dein Hund hat alle Viere wieder auf der Erde, dreht sich zwar gefühlte zwanzig Mal noch um, lässt sich aber von dir dazu bewegen, die Distanz zum Kontrahenten langsam zu vergrössern.

Was geschieht danach in dir?
An dieser Stelle möchte ich bewusst nicht darauf eingehen, wie du Hundebegegnungen entspannt gestalten kannst. Vielmehr interessiert mich, was es mit dir macht, wenn dein Hund seine Kontenance für einen Moment verloren hat. Und du vermutlich auch.

Nimm dir einen Moment Zeit und ruf dir eine Situation in Erinnerung, in der du und dein Hund euch in einer Sache nicht ganz einig wart oder dein Hund eine gänzlich andere Vorgehensweise hatte als geplant oder von dir erwünscht.

Wie war die Situation genau und was waren deine Gedanken und Gefühle dazu?
Wart ihr beide allein oder waren noch andere Menschen dabei, die euch zugeschaut haben? Warst du müde nach deinem Arbeitstag oder frisch erholt am Sonntagmorgen? Ist es ein Verhalten, das bei dir auf der roten Liste der unerwünschten Verhalten steht oder einfach eine Bagatelle in deiner Top Ten der Dont`s? Wie viele Minuten gefühlt hängt dir das Ereignis nach? Den gesamten restlichen Spaziergang oder nur bis um die nächste Ecke? Wie sehr stellst du dich nach einem Eklat an der Leine oder einem Jagdausflug deines Hundes in Frage? Oder gehörst du zu den Menschen, die am liebsten dem Hund die Verantwortung unter die Pfote schieben? Möglicherweise bist du sogar ein bisschen stolz darauf, dass dein Hund sich zu wehren weiss und den kleinen Kläffer von gerade eben in die Schranken weist. Oder den taffen Rüden von nebenan kurz mal unter sich begräbt.

Wir Menschen reagieren auf Grundlage unserer eigenen Prägung und Sozialisierung
Wenn wir mit Hunden unterwegs sind, sind wir immer auch als Mensch mit der eigenen Prägung und Sozialisierung dabei. Wir alle haben Glaubenssätze, die uns in gewissen Situationen helfen, in anderen jedoch kreuzweise im Weg stehen und uns daran hindern, eine ganz neue Perspektive zu entwickeln oder einen anderen Standpunkt einzunehmen.

Bist du dir deiner Glaubenssätze und inneren Überzeugungen bewusst?
Ist in dir schon mal die leise Ahnung aufgekeimt, dass das Verhalten deines Hundes möglicherweise mit eben diesen Glaubenssätzen zu tun hat? Ich muss öfters innerlich schmunzeln, wenn Menschen den zweiten oder dritten Hund mit demselben Verhaltensthema wie der oder die Vorgängerin haben.
Ich finde das äusserst spannend und sehe eine grosse Chance für den Menschen zu erforschen, was sein Anteil daran sein könnte, das unerwünschte Verhalten seines Hundes unbewusst am Laufen zu halten.

Du kennst sicher auch solche oder ähnliche Situationen in deinem Alltag
Damit das nicht so abstrakt daherkommt, gebe ich dir gerne ein Beispiel dazu: Du beklagst dich darüber, dass dein Hund regelmässig austickt, wenn Besuch bei dir in die Wohnung kommt. Du hast ihn seit Welpe und kannst folglich nicht darüber spekulieren, was der arme Hund im Auslandstierheim alles erlebt haben muss.

Wir halten Verhalten unbewusst am Laufen

Stell dir selbst Fragen und lausche deiner inneren Stimme. Bist du möglicherweise ein kleines Bisschen froh darüber, dass du deinen Hund als Entschuldigung vorschieben kannst, um deine Bekannten lieber ausserhalb der Wohnung zu treffen? Hast du selbst gerne Besuch bei dir oder fühlst du dich dadurch gestört oder gar verunsichert in deinem Heim?

Ein weiteres Beispiel für dich: Dein Hund lässt dich regelmässig stehen, wenn du die Leine löst. Er macht einen ausgiebigen Ausflug in den Wald oder in das nächste Maisfeld und taucht erst Minuten später wieder bei dir auf. Du regst dich fürchterlich auf, möchtest deinen Hund am liebsten im Feld stehen lassen. Es ist dir peinlich und du steckst die Leine in deine Jackentasche, um nicht als BesitzerIn ertappt zu werden. Und doch kommt der nächste Spaziergang, bei dem du wieder den Karabiner wegclickst und dein Hund das Weite sucht. Nach dem Motto: die Hoffnung stirbt zuletzt.
Auch da lohnt es sich, etwas länger hinzuschauen. Möglicherweise bist du selbst in einer Situation gefangen oder fühlst dich eingeengt durch äussere Umstände. Nur lässt dich niemand von der Leine. Vielleicht ist irgendwo in dir ein Anteil, der aus diesem Grund deinem Hund diese Freiheit zugesteht.

Schauen wir noch das Beispiel Hundebegegnungen wie eingangs erwähnt kurz an: Du könnest einfach einen Bogen gehen, führst deinen Hund aber trotzdem mitten ins Gewitter hinein. Auch hier vermute ich, dass unbewusste Anteile dieses Verhaltens von dir am Laufen halten. Vielleicht möchtest du dir mehr Raum verschaffen oder das Gegenüber auf Distanz halten, anstatt zu weichen. Oder irgendein Anteil in dir ist überzeugt, dass Ausweichen und Nachgeben Schwäche bedeuten und du dich in deiner inneren Leaderposition in Frage gestellt fühlst. Sicher gibt es noch andere Glaubenssätze, die für dich persönlich stimmig sind.

Unsere Hunde sind unsere Spiegel, schau gerne hin
Ich bin der Überzeugung, dass unsere Hunde und unsere Haltung ihnen gegenüber so viel über uns aussagen. Wenn wir mit unseren Hunden unterwegs sind, treffen wir auf alle Facetten unserer eigenen sozialen und emotionalen Landkarte. Unsere wunden Punkte kommen genauso ans Tageslicht wie unsere Stärken und Möglichkeiten.

Mit Hunden sein bedeutet in Beziehung sein; und zwar mit sich und dem Gegenüber auf vier Pfoten
Wenn wir mit unseren Hunden zusammen sind, sind wir in Beziehung. In Beziehung zu sein bedeutet auch verletzlich zu sein. In Beziehung zu sein schafft die Möglichkeit für Wachstum. Wenn du dich mit deinem Hund auseinandersetzen möchtest, kommst du nicht umhin, bei dir selbst anzufangen.

Lerne deine Denkmuster kennen, beobachte deine Reaktion auf Geschehnisse im Aussen. Wie gelassen kannst du bleiben oder, wenn du dich aufgeregt hast, wie schnell bist du wieder im Gleichgewicht. Und wie reagiert dein Hund auf die Situation und auf dich? Mit einem Hund «unterwegs» zu sein bedeutet, ungeschminkt dem eigenen Ich zu begegnen und jeden Tag zu wachsen. Freu dich über deine Stärken und begrüsse dankbar deine Schwächen. Denn nur dann kann ein Lernprozess stattfinden, der über das reine Hundetraining weit hinausgeht.

 

In diesem Sinne:

«Freue dich über jede Herausforderung, denn sie hat mit dir zu tun.»

 

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