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Sitzen oder nicht sitzen, das ist hier die Frage

Weil ich dieses Sitzen um jeden Preis so oft beobachte, an dieser Stelle nochmals den früheren Blogbeitrag zum Thema, leicht überarbeitet.

Stadtspaziergänge sind sehr aufschlussreich
Diese Woche war ich öfters in der Stadt unterwegs. Da gibt es immer sehr viel zu sehen, also hundespezifisch meine ich. Sehr interessant sind zum Beispiel Fussgängerstreifen im Zusammenhang mit Mensch-Hund-Teams. Wie oft beobachte ich Hunde, die mehr als nur ein Fragezeichen auf ihrer Stirn haben.

Turnübung am Fussgängerstreifen
Dem kleinen Mischling von heute ging es auf alle Fälle so. Er nähert sich mit seinem Menschen den gelben Zebralinien. Am Strassenrand erfolgt dann der Leinenruck, gekoppelt mit dem erhobenen Zeigefinger, ich vermute das ist das Sitz-Signal. Den Finger hat der Kleine gar nicht mitbekommen, schliesslich schaut er ja gerade aus. Deshalb dann der Leinenstopp. So weit so gut. Der Hund hat es kapiert, bringt seinen kleinen Popo in Richtung Boden und kurz bevor dieser den Untergrund touchiert, schon wieder dieser Ruck am Hals. Dieses Mal zum Weitergehen über die Strasse. Ein universelles Signal sozusagen. Der Kleine guckt verdutzt und gibt sich alle Mühe, seinem davoneilenden Menschen hinterherzudippeln. Auf der anderen Strassenseite dasselbe Prozedere: Der Mensch reckt seinen Zeigefinger in die Luft, der Hund soll sich schon wieder setzen. Das Fragezeichen auf dem kleinen Hundegesicht ist mittlerweile riesig! Er kapiert tatsächlich nicht, was das nun soll. Ehrlich gesagt ich auch nicht. Da erklär mir mal eine/r den Sinn dieser Turnübung. Bleibst du stehen, wenn du auf der anderen Seite des Zebrastreifens angekommen bist? Oder setzt dich gar noch auf den Boden?

Es gibt noch mehr unsinnige Übungen aus Hundesicht, wie das Ableinprozedere
Ich frage mich ernsthaft, woher dieser Drang kommt, dem Hund derart unsinnige Verhalten abzuverlangen. Es gibt noch weitere Situationen, wo der Mensch dem Hund den erhobenen Zeigefinger über den Kopf hält und in ein Sitzen kommandiert. Der Klassiker unter all diesen Sitzübungen ist das Ablein-Prozedere. Vor allem bei jungen Hunden gerne praktiziert. Der junge Hund kann noch kein gefestigtes Sitzen unter Ablenkung, seine freudige Erwartung auf den Freilauf ist gross. Was passiert? Der Hund senkt kurz sein Hinterteil in Richtung Boden, berührt diesen im besten Fall eine Sekunde, hört den Karabiner klicken und weg ist er. So viel zu einem sicheren Aufbau des Verhaltens Sitzen. Sollte das Ziel der Übung sein, dass der Hund nach dem Karabinerklick noch eine Weile bei seinem Menschen bleibt, ist eine kleine Gudisuche um den Menschen herum oder ein paar Gudis aus der Hand aktuell viel zielführender. So baust du by the way eine Erwartung auf, dass es sich nach dem Ableinen lohnt, nicht gleich das Weite zu suchen.

Oder die gerne praktizierte Korrektur beim Leinenziehen
Sehr gerne nimmt der Mensch das Verhalten Sitzen auch als vermeintliche Korrektur beim Leinenziehen. Der Hund geht ans Ende der Leine, der Mensch ruft SITZ. Im besten Fall macht der Hund das dann auch, nur um gleich wieder aufzustehen und ans Ende der Leine zu rennen. Du erahnst, welches Signal gleich vom Menschen kommt? Sitzen hat sehr wenig mit dem lockeren Gehen an der Leine zu tun und ist folglich keine zielführende Korrektur. Ich sage bewusst Korrektur, weil der Mensch das Ziehen ja «abstellen» möchte. Daraus entsteht eine unerwünschte Verhaltenskette nach vorne gehen, sitzen, nach vorne gehen, sitzen. So setzt du sprichwörtlich das Verhalten Sitzen in den Sand.

Oder die Sitzübung zur Impulskontrolle oder Erhöhung der Frustrationstoleranz
Ungeschickt finde ich auch die Welpen-Übung «Sitzen vor dem Napf» bei den Hauptmahlzeiten. Mit Sicherheit der schwierigste Moment im Tagesablauf eines jungen Hundes, um das Sitzen und Warten zu praktizieren. Natürlich darf dein Hund lernen, sich zurückzunehmen und sich nicht wie eine Furie auf den Napf zu stürzen. Das hat auch mit Höflichkeit zu tun.
Genauso wie das Sitzen beim Ableinen, wenn zwei Meter entfernt der Hundekumpel wartet, ist das Vor-dem-gefüllten-Napf-Sitzen mit einem riesigen Hunger im Bauch die höchste Lernstufe für einen jungen Hund. Stell dir nun vor, wie demotivierend die Sitz-Übung sich für deinen Hund anfühlt. Er möchte so schnell wie möglich sein Bedürfnis befriedigen und kein Training zur Steigerung der Frusttoleranz vorgeschaltet bekommen. Viel sinnvoller ist es, mit deinem jungen Hund das Sitzen und Warten vor dem Napf zu üben, wenn er schon satt ist.

Oder Situationen, in denen sich dein Hund beim Sitzen unwohl fühlt
Es gibt noch weitere Situationen, bei denen ich dir empfehle, das Sitzen auch mal wegzulassen: bei älteren Hunden oder bei Hunden, die sich nicht gerne in die nasse Wiese setzen. Bei Hunden, die aus gesundheitlichen Gründen nicht (mehr) gerne sitzen. Unter anderem ein wichtiger Hinweis für dich, deinen Hund einem Gesundheitscheck zu unterziehen und ihm möglicherweise Physiotherapie zu gönnen. Auch Wasserruten machen richtig weh beim Sitzen. Oder dein Hund hat gefüllte Analbeutel, die sehr störend und schmerzhaft sind.


Die Abrufübung aus dem Sitzen ist bei jungen Hunden kontraproduktiv
Definitiv keinen Sinn macht es auch, den jungen Hund aus dem Sitzen abzurufen, sozusagen als Rückrufübung. Natürlich rennt dein Hund wie der Blitz zu dir hin. Schliesslich hast du ihn dort ja alleine sitzen gelassen. Für das Festigen des Sitzens unter Ablenkung mit Sicherheit nicht förderlich. Diese Übung praktiziere ich erst, wenn mein Hund mit viel Ablenkung ein sicheres Sitzen zeigen kann.


Was also tun? Das Hinsitzen, respektive das Sitzenbleiben ganz toll belohnen.
Dein Hund soll diese Sitzübung so richtig lieben und auch sehr gerne machen wollen. Wenn du das Sitzen motivierend aufbauen möchtest, mach das Sitzen als solches super attraktiv und nicht das, was nach dem Sitzen folgt. Wie du ein sicheres Sitz aufbaust, zeige ich dir gerne in der Praxis. Das würde hier den Rahmen sprengen. Aber ich bin sicher, du erkennst jetzt die Stolperfallen und lässt deinen Hund öfters mal im Stehen warten.

 In diesem Sinne:

«Sitzen oder nicht sitzen, das ist hier die Frage.»

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